Traditionell laden Die Linke und die SPD Ilmenau gemeinsam zum Gedenken an die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts am Liebknecht-Denkmal im Ilmenauer Stadtpark ein. Dieses Jahr hielt die Gedenkrede das Ilmenauer Stadtratsmitglied Julian Wüster (SPD). Lesen Sie hier die Rede nach:
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, Bürgerinnen und Bürger Ilmenaus!
Am 15. Januar 1919, im Zuge von Unruhen um das Ende des deutsche Kaiserreiches und die Gründung der Weimarer Republik, so wie wir sie uns heute wohl kaum noch vorstellen können, wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Vorkämpfer der KPD und für die Errichtung einer Räterepublik, ermordet.
Wir als SPD und Linke Genossinnen und Genossen gedenken heute gemeinsam, was ich als für nicht selbstverständlich erachte, wenn man bedenkt, welch unrühmliche Rolle SPD-Mitglieder, vor allem Reichswehrminister Noske, dabei spielten. Mindestens geduldet wurde die Ermordung, wenngleich es Mitglieder der Garde-Kavallerie-Schützen-Division waren, die letztlich die beiden erschossen. Wegen Mordes wurde übrigens niemand verurteilt.
Das war der Auftakt zu mehreren politischen Anschlägen und Morden in der Weimarer Republik, auf Linke, Konservative und Liberale, Repräsentanten des Staates, der durch rechtsextreme, damals hätte man wohl eher republikfeindliche Kräfte gesagt, geschwächt werden sollte. Als Opfer sind hier zum Beispiel Kurt Eisner, Walter Rathenau, Matthias Erzberger oder der ein Attentat überlebende Philipp Scheidemann zu nennen.
Was hat das heute noch mit uns zu tun? Man sagt, die Weimarer Republik sei eine Demokratie ohne Demokraten gewesen. Nun, zumindest gab es zu wenige, die dafür eingestanden wären. Zerstrittene, ja, spätestens seit den Luxemburg-Liebknecht-Morden eigentlich verfeindete linke Kräfte waren deswegen letztlich nicht in der Lage, die Diktatur zu verhindern. Das allein war es nicht, da kam viel zusammen, aber auch die Unfähigkeit oder der Unwille demokratischer Kräfte zum Kompromiss.
Beides darf uns nie mehr passieren. Linke, und ich spreche nicht von der Partei, sondern von der politischen Linken, sind ganz hervorragend darin, sich zu zerstreiten über den wahren Weg oder den höheren moralischen Anspruch. Streiten wir gerne immer über die Sache, innerhalb der Parteien und zwischen ihnen, aber machen wir nie Gräben auf, die tiefer sind als wir sie wieder zuschütten könnten. Wir beschimpfen und beleidigen einander nicht, wie es übrigens auch öffentlich vor der Ermordung Luxemburgs und Liebknechts geschah.
Demokratische Kräfte müssen immer miteinander sprechen, immer verhandeln und immer Anschluss finden können, müssen immer in der Lage sein, im Zweifel das Gemeinsame zu betonen. Was passiert, wenn das nicht mehr der Fall ist, können wir live und in Farbe mit dem Entsetzen des machtlosen Zuschauers bei unseren Nachbarn in Österreich beobachten.
Die Verhältnisse der Weimarer Republik sind uns näher als noch immer vielen bewusst ist. Ein Klima, in dem rechtsextreme/republikfeindliche Kräfte gedeihen, in dem sie ihre menschenverachtende Ideologie ausbreiten können und dafür von einem großen Teil der Bevölkerung gefeiert und letztlich gewählt werden. Ein Narr oder Heuchler, wer keine Parallelen zur heutigen Zeit sieht, in Wortwahl und Methoden. Erst kommen die Worte, dann folgen die Taten. Die NSU-Morde. Der Attentäter von Hanau. Der Anschlag auf die Synagoge von Halle. Die herausgerissenen Stolpersteine in Zeitz. Der Attentäter von Magdeburg, den ja absurderweise Rechtsextreme für ihre Agenda vereinnahmen und den auch ein Friedrich Merz für eine Migrationsdebatte nutzt. Das Krankenhausreif-Schlagen des SPD Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden. Der Brand des Wohnhauses des SPD Kommunalpolitikers Michael Müller in Waltershausen. Eingeworfene Scheiben an Parteibüros und Hakenkreuze u.a. am Büro von zu dem Zeitpunkt Landtagspräsidentin Birgit Pommer. Die Liste lässt sich lang fortsetzen.
Dies darf eine Gesellschaft niemals dulden. Ich fürchte, es haben nur noch nicht alle verstanden, dass es irgendwann auch sie treffen kann. Dass auch sie auf Abschuss- und Feindeslisten landen können. Was wirklich passiert, wenn wieder Faschisten an die Macht kommen. Dass sie genau wie viele damals glauben, so schlimm könne es ja nicht kommen. Aber wir wissen, doch, so schlimm kann es kommen. Natürlich nicht genau wie vor gut 90 Jahren. Aber die Parallelen sind, so man sie denn sehen will, unübersehbar. Das macht mir Angst.
Finden wir zusammen in dieser Republik. Demokraten dürfen sich nicht untereinander zerfleischen. Demokraten müssen Kompromisse schließen. Demokraten müssen, wenn es darauf ankommt, zusammenhalten. Anständige Demokraten sind keine Populisten und keine Opportunisten. Egal auf welcher Ebene, ob im Stadtrat, der bayerischen Staatskanzlei oder im Europaparlament. Demokraten schöpfen alle ihre Mittel aus, die Demokratie zu schützen, auch ein Parteiverbot, so wie es das Grundgesetz vorgibt. Möge uns der Tod Liebknechts und Luxemburgs und die Entwicklungen, die folgten, eine stete Mahnung für unser Reden und Handeln in unserer heutigen Zeit sein.