Anlässlich des „Bürgerdialogs“ mit dem AfD-Direktkandidaten Marcus Bühl und dem AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla im Hotel Tanne fand eine Demonstration statt. Das war der Redebeitrag von Julian Wüster, Stadtratsmitglied im Ilmenauer Stadtrat:
Angst verbreiten, unliebsame Vereine einschüchtern und mundtot machen, Gefolgsamkeit, Gefügigkeit. Das ist es, was die AfD Ilmenau gerne möchte.
Ihr habt vielleicht mitbekommen, was gerade im Ilmenauer Stadtrat passiert. Die AfD-Fraktion hat in den entsprechenden Ausschüssen und öffentlich auf Facebook gesagt, dass sie keine städtischen Fördermittel mehr an Vereine ausschütten will, die letztes Jahr den Aufruf zu der großen Demonstration „Menschen schützen – unsere Demokratie verteidigen“ der Initiative „ilmenau.zusammen“ unterstützt haben. Den Aufruf an sich haben sie offenbar nicht gelesen oder nicht verstehen wollen, der bezog sich nämlich auf das Grundgesetz und war, es war ein zäher Prozess, ganz bewusst so formuliert, dass sich alle Demokratinnen und Demokraten ganz gleich welcher Couleur, dahinter stellen können. Daraus macht die Fraktion in ihrer Stellungnahme eine Verleumdungskampagne gegen sich und schwadroniert vom Bekenntnis zum BUNTnis Ilmenau und wirft all diesen eine „unglaubliche Herabwürdigung ihrer Wähler“ vor. Sie beziehen sich dabei auf ein Gerichtsurteil, das dem ZDF untersagte, zu berichten, es sei bei den Plänen auch um deutsche Staatsbürger gegangen. Stellen es aber so dar, als sei die ganze Geschichte an sich eine große Lüge und als sei das gerichtlich bestätigt worden. Das stimmt natürlich nicht. Sie seien es ihren angeblich diffamierten Wählerinnen und Wählen schuldig, Steuermittel nicht mehr an solche Vereine zu geben.
Namentlich genannt ist die halbe Ilmenauer Kulturszene, aber auch die Kirchengemeinde St. Jakobus selbst. Auf der schwarzen Liste der AfD-Fraktion Ilmenau stehen nun alle, die einen Aufruf für Demokratie, Mitmenschlichkeit, gegen faschistische Bestrebungen, für das Grundgesetz unterzeichnet haben. Das ist ein großer Teil der Ilmenauer Zivilgesellschaft.
Das bedeutet Willkür und ist Machtmissbrauch. Sie brüllen selbst als erste tumb „Meinungsfreiheit“, aber jetzt, wo Leute zu einer Demonstration aufgerufen hatten, die ihnen nicht passt, sagen Sie, na gut Freundchen, dann kriegst du eben kein Geld mehr. Was ist denn hier mit der Meinungsfreiheit? Insbesondere Hans-Joachim Fiedler persönlich scheint richtig angefressen zu sein. Aber ganz so wichtig scheint es ihm am Ende dann doch nicht gewesen zu sein, er hat nämlich vor der Abstimmung den Ausschuss verlassen, weil er lieber zu einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei im Haus am See wollte.
Die Fraktion versucht hier, Ilmenauer Vereine, Initiativen, Firmen, Einzelpersonen, die Kirchengemeinden mundtot zu machen. Das ist Gift, welches einsickern soll. Wenn Vereine sich drei mal fragen, wie sie sich verhalten sollen mit Hinblick auf die vermutete Laune der AfD, wenn sie sich drei Mal fragen, wen sie in den Vorstand wählen, weil da vielleicht jemand schon im Visier der AfD ist, dann hat die AfD ihr Ziel bereits erreicht, ganz ohne Mehrheiten im Stadtrat. Dann kommen wir zu vorauseilendem Gehorsam. Das darf niemals passieren. Deswegen rufe ich euch zu: Habt keine Angst!
Ich hatte ja darüber gesprochen, wie sorgfältig der Aufruf verfasst worden war. Aber wisst ihr was? Das ist der AfD völlig egal, sie macht ohnehin daraus, was sie will. Wisst ihr, wie das Framing der AfD-Fraktion zu unserer heutigen Demo auf Facebook ist? Alle, die wir hier heute demonstrieren seien Heuchler, denn wir würden uns „wegen verfehlter Migrationspolitik“ mitschuldig an den Morden an Kindern machen. Unglaublich.
Ich habe lange nach einer Metapher als Kommentar auf die derzeitige Situation gesucht, bleibt bei mir, ihr könnt mir dann ja zu verstehen geben, ob ich mich verrenne:
Der kleine Tino (Name natürlich willkürlich gewählt) liebt es, die Bauklotztürme anderer Kinder umzuschmeißen. Darauf von den Erzieher:innen angesprochen bestreitet er zunächst, dass er es war, der die Türme umgestoßen hat.
Dann sagt er, er habe doch nur eine Handvoll, rote, grüne und regenbogenfarbige Steine, die nicht recht dazu passten rausgenommen, es sei doch nicht seine Schuld, dass der Turm dann zusammenbreche, Schuld seien ja diejenigen, die sie eingebaut hätten.
Irgendwann sagt er, ja, der Turm müsse ja auch fallen um Platz für sein eigenes Bauwerk zu schaffen und davon ließe er sich auch nicht von den selbsternannten Turmverteidigern abbringen. (Ihr merkt, Tino ist ganz schön frühreif.)
Es gibt halbherzige Versuche, ihn davon abzubringen, denn er schlägt wie wild um sich und fängt an zu schreien und zu beleidigen, wenn man ihn in die Schranken weisen will, da hat ja wirklich niemand Lust drauf. Also macht er immer weiter. Die anderen Kinder haben natürlich keine Lust mehr darauf, mit ihm zu spielen.
Irgendwann möchte Fritz ein Luftschloss bauen, ihm fehlen aber Bauklötze. Er fragt die anderen Kinder, ob sie ihm welche geben, aber die lehnen ab, wollen ganz andere Bauprojekte verwirklichen, ob er nicht dort mitmachen wolle? Fritz fängt aber lieber selbst an zu bauen, mit dem, was er hat; Tino sieht jetzt seine Chance auf einen Spielgefährten und sagt, er besorge ihm Klötze. Er schmeißt also andere Bauwerke um und gibt die Steine Fritz als Baumaterial. Dieser nimmt sie und verbaut sie.
Ist das falsch? Ja. Verhält sich Fritz genauso wie Tino? Nein. Sollte Fritz zusätzlich zu der Versicherung, das nicht wieder zu tun, einen Fehler eingestehen und sich entschuldigen? Ja. Sollten dann die anderen Kinder wieder mit ihm spielen? Ja.
Einige Eltern tun sich zusammen und mit Rücksicht auf Tino und die Eltern, die meinen, na ja, manche Türme sind vielleicht wirklich nicht erhaltenswert, startet man gemeinschaftlich einen allgemeinen Aufruf an alle Eltern, man fände es inakzeptabel, wenn von Kindern erbaute Türme kategorisch einfach so von anderen Kindern zerstört würden und man solle doch grundsätzliche Regeln des Zusammenlebens achten.
Er läuft zu seinen Eltern, Alice und Björn (Namen natürlich wieder rein zufällig gewählt) und beschwert sich, die anderen wollten nicht mehr mit ihm spielen. Alice und Björn sind sowieso außer sich, was fiele den anderen Eltern denn ein, ihren kleinen Tino anzugreifen, und überhaupt hätten sie damit alle Kinder mit dem Traum, Baumeister werden zu wollen, auf das Übelste beleidigt und diffamiert und man mache sich mitschuldig, wenn zu hoch gebaute Türme irgendwann Kinder erschlügen, wenn nicht der heldenhafte Tino vorher die Situation entschärfen würde.
Sie sind leider auch Vorsitzende des Fördervereins der KiTa, weil alle anderen bei der Wahl froh waren, dass sie es nicht machen mussten. Als Vorsitzende des Fördervereins wollen sie nun den Kindern aller Eltern, die sich gegen die Zerstörung von Türmen und für das Gemeinwesen ausgesprochen haben, Zuschüsse für Ausflüge streichen. Die Mitgliedervollversammlung stimmt zum Glück dagegen.
Tino wirft weiter fleißig Türme um und schmeißt jetzt auch mit Bauklötzen um sich. Keine Pointe.
Und die Moral von der Geschichte: Lasst euch, egal, wie nervig oder anstrengend es zunächst erscheinen mag, als Elternsprecher:innen, in Fördervereine, in Vorstände von Vereinen, in Gremien an der Universität, in Betriebsräte, in Stadtrat und Kreistag wählen. Tretet Gewerkschaften und Parteien bei! Macht verdammt noch mal mit bei der Demokratie. Sonst machen es andere.
Außerdem: Lassen wir nicht zu, dass dieser Angriff auf unsere Vereine, auf unsere Kulturlandschaft, auf die Ilmenauer Zivilgesellschaft irgendwie verfängt. Sprecht all denen, die mitgezeichnet haben, Mut zu.
Und zuletzt: tragt dieses aktuelle Beispiel aus der Kommunalpolitik weiter an alle, die glauben, sie selbst seien doch von der AfD nicht gemeint. Ein großer Irrtum. Es kann jeden und jede treffen, denn Willkür macht nicht halt. Hätte die AfD die Macht, es könnte morgen jeden treffen.
Die AfD sagt uns „Berufsempörten“ via Facebook: „Ihr seid nicht mehr, ihr seid lauter, doch irgendwann werdet ihr auch noch nicht einmal mehr lauter sein!“.
Zeigt mir jetzt noch einmal, dass das nicht stimmt, dass wir mehr sind und auch mehr und lauter bleiben!